Schottenwitze sind eine typische Kategorie, die stellvertretend für eine negative menschliche Eigenschaft steht. In diesem Fall ist das der Geiz. Dieser steht im absoluten Widerspruch zum Erfordernis der Kooperation, die aus der menschlichen Spezies überhaupt erst eine erfolgreiche Gattung gemacht hat. Egoistisches Verhalten ist kontraproduktiv und behindert die Entwicklung der Allgemeinheit. Alle großen Wertesysteme, die das menschliche Zusammenleben regulieren wollen, beurteilen den Geiz deshalb negativ. Im Christentum gilt er als eine der sieben Todsünden.
Im täglichen Leben jedoch wird nicht ständig die große moralische Herausforderung formuliert. Ein negativer Wert kann auch durch seine Lächerlichkeit bloßgestellt werden – diese Funktion übernehmen Witze. Sie benötigen allerdings für die Verknappung der Aussage eine charakteristische Figur, und die liefert der Schotte.
Das Klischee, geizig zu sein, haftet den Schotten noch aus uralter Vorzeit an. Heute kann dieses Pauschalurteil nicht mehr aufrecht erhalten werden. Bei einem Vergleich der Lebenshaltungskosten in Deutschland und Schottland stellt sich sehr schnell heraus, dass diese auch im Norden der britischen Insel weitaus höher als hierzulande liegen. Glasgow und Edinburgh gehören zu den teuersten Städten Europas. Was die Schotten allerdings nicht bestreiten, ist ihr Hang zur Sparsamkeit. Früher waren die kargen Erträge aus den steinigen Äckern dafür verantwortlich, dass die schottische Bevölkerung auf jeden Penny achten musste. Mit der Industrialisierung haben sich in Europa die Lebensverhältnisse angeglichen. Da aber nichts langlebiger ist als ein Vorurteil, liefern die Schotten immer noch die Vorlage für Geizwitze – und deshalb heißen diese eben auch Schottenwitze.
Die sieben Todsünden machen zwischen Geiz und Habgier keinen Unterschied. Für die Kirchenväter entspringen beide Eigenschaften derselben menschlichen Eigenart, einen unbedingten Vorteil für sich selbst zu erwerben. Geiz ist jedoch in erster Linie auf das eigene Hab und Gut gerichtet, Habgier dagegen auf die Güter anderer Menschen. Der Unterschied wird auch daran deutlich, dass ein Geizhals grundsätzlich nie einen Geldbetrag für eine Investition einsetzen würde. Das würde seine Kasse schmälern und genau das will er um jeden Preis vermeiden. Der Habgierige hingegen ist relativ leicht dazu zu bewegen, auch größere Geldmittel einzusetzen, wenn dadurch das eigene Konto zusätzlich gefüllt werden kann.
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